Freitag, 26. August 2016

Aggressive Zwangsgedanken - was ist das eigentlich?

Hi, mein name ist Sam. Ich bin 35 Jahre alt und leide an Zwangsgedanken. Genauer gesagt "Aggressive Zwangsgedanken".

Aber was ist das überhaupt?

Stell dir mal vor du gehst auf ein sehr hohes Gebäude (z.B. den Kölner Dom). Oben angekommen wird dir von der Höhe etwas mulmig. Plötzlich schießt dir der Gedanke in den Kopf "Hey, ich könnte ja jetzt hier einfach runter springen" oder "Hey, ich könnte ja jetzt meine Partnerin hier runter schubsen!".

Um es ganz klar auszudrücken: Solche Gedanken sind völlig "menschlich" und normal. Fast jeder, oder besser JEDER hat solche Gedanken schon einmal gehabt. Wenn man nun unter Zwangsgedanken leidet, kann es passieren, dass man diesen Gedanken, der natürlich ziemlich bedrohlich erscheint, nicht so leicht wieder los wird. Ein "gesunder" Mensch würde diesen Gedanken schnell wieder abschütteln und "normal weiter denken".

Üblicherweise wird in einer solchen Situation ein Mensch mit Zwangsgedanken von weitergehenden Gedanken geplagt - "Ich habe daran gedacht zu springen, bin ich vielleicht suizid-gefährdet?" oder "Ich habe daran gedacht, meine Partnerin zu ermorden! Bin ich vielleicht ein Mörder? Gibt es etwas tief in mir drin, dass ich nicht kenne und kontrollieren kann?".

Die Antwort auf diese Fragen ist natürlich "Nein". Ein Mensch mit Zwangsgedanken hat Angst vor seinen eigenen Gedanken. Er hat Angst, dass diese Gedanken seinen Willen widerspiegeln. Er hat Angst er können diese Gedanken in Handlungen umsetzen. Dabei ist es genau gegensätzlich. Die Gedanken sind nämlich deshalb für ihn so bedrohlich, weil sie ein Thema betreffen, bei dem der "Zwangspatient" besonders empfindlich ist und die höchsten moralischen Standards hegt und pflegt.

Ein Beispiel: Eine Frau, sagen wir Julia, ist streng religiös. Sie besucht jede Woche den Gottesdienst, betet vor jeder Mahlzeit und erzieht ihre Kinder entsprechend religiös. Nach einer sehr stressigen Woche in der ihre Arbeit ihr alle Kräfte entzogen hat, und sie auch privat durch die Pflege ihrer kranken Eltern geschafft ist, geht sie in den Gottesdienst. In der Kirche betet sie wie üblich - doch plötzlich kommt ihr der Gedanke "Warum ist alles so schlecht, warum muss Jesus so ein Arschloch sein...". Julia erschreckt und fragt sich, warum sie diesen Gedanken hat, den sie nicht denken will. Sie versucht ihn zu verdrängen, doch gleich fallen ihr noch mehr Schimpfwörter ein. Sie kann nicht verhindern wie sich weitere unangenehme Gedanken aufdringen.
Diese Gedanken nennt man religiöse Zwangsgedanken. Für Julia sind solche Gedanken extrem schlimm, da sie streng gläubig ist. Für die meisten Menschen sind diese Gedanken jedoch eher harmlos und üblicherweise auch egal denn "Es sind ja nur Gedanken" und sie spiegeln keine persönliche Meinung oder Haltung wieder und lösen keine entsprechende Handlung aus.
Julias große Angst vor den Gedanken steigerte sich sogar noch, als ihr in den Kopf kam, sie könne ihre Gedanken in Worte fassen und z.B. laut in der Kirche blasphemische Worte schreien. In ihrem Kopf stellte sie sich Szenarien vor, in denen Sie vor allen anderen Kirchenbesuchern vulgäre Dinge schreit und nach dem Tod in die Hölle kommt. Dies führte dazu, dass Julia es nicht mehr schaffte in die Kirche zu gehen, sie sich elendig schämte und depressiv wurde.

Was ich mit diesem Beispiel sagen möchte ist, dass jeder Mensch empfänglich für solche Gedanken ist. Bei mir sind es aggressive Zwangsgedanken. Bei anderen vielleicht pädophile Zwangsgedanken ("ich könnte meine Kinder unsittlich berühren" o.ä.).


Hier mal ein paar Beispiele für "beliebte" aggressive Zwangsgedanken:
"Ich könnte meine Kinder mit dem großen Küchenmesser umbringen"
"Ich könnte einen Freund schlagen"
"Ich könnte eine Person vor die Bahn schubsen"
"Ich könnte mich selbst vor ein Auto werfen"
"Ich könnte mit meinem Auto in den Gegenverkehr fahren"
"Ich könnte mich oder eine andere Person mit einem Gegenstand verletzen"

Wenn du auch schon solche Gedanken hattest: Kein Problem, die kommen und gehen.
Wenn du solche Gedanken hast, und
  • sie kommen häufig wieder (wie ein Ohrwurm)
  • sie bereiten dir Angst und Panik
  • du fragst dich, ob du vielleicht wirklich ein Mensch bist, der so etwas tut
  • du bist dir deiner Intention nicht mehr sicher
  • du versuchst diese Gedanken zu verdrängen
  • du versuchst andere positive Gedanken als Gegenmittel zu denken
  • du schämst dich für diese Gedanken und redest nicht über sie
kannst du relativ sicher sein, an Zwangsgedanken zu leiden. Willkommen im Club!

Jedoch sage ich dir jetzt auch schon: herzlichen Glückwunsch, du hast den ersten Schritt getan um sie wieder los zu werden. Du weißt nämlich jetzt, dass kein Monster in dir wohnt, dass du nicht verrückt bist, sondern einfach nur ein Mensch der eine relativ häufige psychische Erkrankung hat.
Die Gedanken bedrohen dich, weil sie deine "Schwachstelle" treffen. Und besonders dann, wenn du z.B. durch eine akute Stresssituation sowieso schon geschwächt bist.

Wenn du möchtest, lies dir meine Artikel zum Thema (aggressive) Zwangsgedanken durch und ich verspreche dir, dass du dich alleine durch das Wissen, dass extrem viele Menschen im Stillen an Zwangsgedanken leiden, besser fühlst.

Ich möchte in diesem Blog meine Erfahrungen mit dem Thema aggressive Zwangsgedanken teilen, quasi aus Sicht eines Betroffenen, eines Patienten, und eines völlig normalen Menschens.

Ich möchte allen anderen Betroffenen durch meinen Blog helfen. Ich möchte zeigen, dass es nicht unmöglich ist, wie es zunächst scheint, den Kampf gegen Zwangsgedanken zu gewinnen.

Ich rate jedem Betroffenen eine Gesprächstherapie zu machen. Wichtig ist, dass der Therapeut sich mit dem Thema Zwangsgedanken auskennt.

Ich rate außerdem jedem Betroffenen sich nicht in Internet-Foren zum Thema zu informieren. Gerade Zwangspatienten können durch falsche und/oder schlecht recherchierte Informationen noch größere Angst vor ihren Ängsten bekommen. Es gibt gute Bücher über das Thema und ich werde in einem Artikel ein Buch vorstellen, das es sich sehr lohnt zu lesen.

Noch einmal zum Abschluss dieses Eintrags:
Mach dir klar, ES SIND NUR GEDANKEN!



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8 Kommentare:

  1. Super Blog, ganz große Klasse. Vielen Dank für die umfassenden Informationen.

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    1. Im Tiefpunkt meines Lebens durch meine Zwangsgedanken bin ich auf diesen Blog gestoßen weil ich verzweifelt war. Ich danke dir dafür, er hat mich kurz wirklich abgelenkt. Danke!

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  2. Sehr guter Blog. Ich habe selber eine Zwangsstörung und finde mich nahezu in jedem der von Ihnen beschriebenen Dinge wieder.
    Ist es möglich mit Ihnen persönlich in Kontakt zu komme (Email)?

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    1. Hi!
      Du kannst mir gerne schreiben: danke@kaffeeschluerfer.com
      Sorry für die späte Antwort!

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  3. Hey! Kann man mit dir in Kontakt treten? Grüße!!

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    1. Hi!
      Du kannst mir gerne schreiben: danke@kaffeeschluerfer.com
      Sorry für die späte Antwort!

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  4. Seit wann leidest du schon daran?
    Liebe Grüße!

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  5. Hi!
    Ihr könnt mir gerne schreiben: danke@kaffeeschluerfer.com
    Sorry für die späte Antwort!

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